Lipp Weingut & Destillerie, Maienfeld GR

GRANDIOSO!

Von Luca Huber

Reto Lipps Herz schlägt für Marc – und den Ausbau im Barrique. Logisch, schliesslich brennt er in der Bündner Herrschaft, Pinot-noir-Hochburg der Schweiz. Nicht zu vergessen: Klassik im Keller – und selbstgepflückte Schlüsselblüemli.


 «Wir können Grappa mindestens genauso gut wie die Italiener.» Reto Lipp sagt das mit einer Überzeugung, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Gemeinsam mit Frau Carina betreibt er das Familienunternehmen Lipp Weingut & Destillerie in Maienfeld. Während der Wein ihr Metier ist, kümmert sich Reto Lipp um das Hochprozentige. «Ich bin der Schnapsbrenner», sagt er also kurz und knapp: «Ob Destillat, Edelbrand oder Schnaps: Schmecken muss es!»

 

Das bringt auf einen Nenner, worum es dem Brenner im Grunde geht: Genuss und Qualität. Darauf setzt er bei seinen klassischen Fruchtbränden genauso wie bei seinen  rareren Edelwassern wie dem Himbeer- oder dem Quitten-Brand. Und natürlich auch bei seinen Exoten, von denen er einige im Sortiment führt. Den Fenchel-Geist etwa, den Bärlauch- oder den Heu-Geist schliesslich.

 

Letzterer nennt sich «Bündner Heu», das getrocknete Grünzeug dafür stammt von einer Bergwiese bei Arosa. Dort sammelt Reto Lipp auch die Schlüsselblumen, die er für seinen «Schlüsselblüemli»-Likör verwendet. Noch so ein Exot. Wofür sein Herz aber wirklich schlägt, das sind die Grappi oder eben Marcs.


Daten:

1./2. Mai 2020                        Offene Weinkeller

8./9. August 2020                   Wii-Kend Maienfeld

6. September 2020                Genussmarkt Schauenstein

18./19. September 2020        Maienfelder Städtlimarkt

7. November 2020                 Die Schweiz brennt

 

lipp-destillerie.ch

Der Henri aus dem Eichenfass

«Wir können Grappa Lipps Marc-Begeisterung kommt nicht von ungefähr und liegt dem Konzept des Familienbetriebs zugrunde, der eben aus Weingut und Destillerie besteht. Ein Teil des Tresters stammt denn auch aus eigener Produktion. Ökonomisch halten sich die beiden Standbeine ungefähr die Waage. Doch die beiden geniessen die Zusammenarbeit. 

 

Die Bündner Herrschaft ist eines der renommiertesten Weinanbaugebiete der Schweiz. «Und wo guter Wein entsteht, dort entsteht auch guter Marc», ist Reto Lipp überzeugt. Darum sind seine Brennhäfen eigens für die Zugabe von Traubentrester ausgelegt – mit der obenliegenden Öffnung und den gelochten Gitterkörben. Hier wird nichts dem Zufall überlassen.

 

Genauso wenig wie die Namen seiner Kreationen. Der «Henri» etwa, ein im Eichenfass gereifter Marc aus Pinot-noir-Trauben, ist nach Henri Duc de Rohan benannt. Der gilt nicht nur als jener Mann, der die ersten Burgundertrauben in die Herrschaft brachte; während seiner Zeit in Maienfeld logierte er auch in ebenjenem 1632 erbauten Haus, in dem sich die Destillerie heute befindet. Und der «Grandioso» verbringt vor seiner Abfüllung elf Jahre im Barrique.

 

Nichts kann den Keller ersetzen

Erzählt Reto Lipp von seinen Schöpfungen, kommt er unweigerlich ins Schwärmen. Nicht aus Stolz oder noch Abwegigerem, sondern schlicht aus Liebe zu Produkt und Qualität. Dann spricht er von lieblichen Marcs, von fruchtigen und von herben, die gar der Stilistik von Whiskys ähnelten.

 

Dann führt er hinab in seinen Gewölbekeller, Bruchsteinwände, und aus den Tiefen des Kellers dringt Klassik. Die Musik bringt den reifenden Weinen und Marcs die nötige Ruhe. Lipp blickt sich um: «Natürlich könnten wir ausbauen, ‹ökonomischer› denken. Aber nichts kann diesen Keller ersetzen. Wir haben uns ganz bewusst so entschieden.»

 

Dafür entschieden, klein und fein zu bleiben. Eine Alternative zum Direktverkauf war darum nie eine Option. Den direkten Kontakt zur Kundschaft wolle man auf keinen Fall aufgeben, sagt Reto Lipp. Dennoch möchte er auf seinen Webshop nicht mehr verzichten. Die Verkäufe laufen gut, der Online-Absatz wachse beständig.

 

Allerdings ist auch die Vielzahl der Onlinebestellungen das Resultat von direktem Kundenkontakt: «Viele haben unsere Schnäpse in einem Restaurant kennengelernt oder haben auf dem Heimweg aus dem Urlaub Halt in unserem Laden gemacht; online bestellen sie dann vor allem den Nachschub.»

 

Nicht hausieren, sondern schulen

Das Ehepaar hat das Gut 2013 von ihren Eltern Margrit und Martin Kunz-Keller übernommen. Bereits zwei Jahre später wagten die Lipps den grossen Bruch: Sie änderten den Namen des Unternehmens von Kunz zu Lipp, benannten ihre Marcs um, einigten sich auf neue Flaschen und ein komplettes Redesign der Etiketten. Die Befürchtungen, dass die Namensänderung auf Unverständnis stossen könnte, blieb aus.

 

Ganz im Gegenteil: Weingut und Brennerei erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit. Die Lipps setzen dabei auf Direktabsatz. Um ihre Produkte an die Restaurants zu bringen, hausieren sie allerdings nicht; die Gastronomen kommen zu ihnen. In ihrem kleinen Verkaufsladen schulen sie das Servicepersonal.

 

«Der Geniesser von heute will die Geschichte eines Produkts kennen», sagt Reto Lipp, «die Servicekräfte in der Gastronomie sind es, die sie erzählen.» Darum sind ihm diese Schulungsstunden besonders wichtig. Und darum empfiehlt er seinen Kunden aus der Gastronomie auch, lieber auf eine kleine, dafür umso feinere Spirituosenauswahl zu setzen. Mit dabei natürlich auch ein Marc. Schliesslich kann er die genauso gut wie die Italiener. Mindestens.