Ohne ihn wäre die Schweizer Brennerszene eine andere: Ruedi Zeltner. Im Oktober feierte der Schwarzbube seinen 100. Geburtstag. Der Geist ist voll da – und das Herz gross wie eh und je. Wenn das Gehör nur nicht schwände.
Glücklich trotz Schicksalsschlägen
Was für ein Tag für Ruedi Zeltner, Ende Oktober. Der Solothurner Regierungsrat gratulierte, die Zünftler, die Jäger, und natürlich: die Familie. Ruedi Zeltner, seit ebenjenem Tag 100-jährig, schwärmt von der guten Stimmung, den glücklichen Gesichtern, der Freude, die er verspürte. Er blickt einen an aus diesen klaren, wachen Augen und meint, lächelnd, ja grinsend fast: «Ich bin glücklich!» Was will man mehr?
Das war nicht immer so. Ruedi Zeltner hat auch die Schattenseiten des Lebens kennengelernt. Er war gerade 28, als sein Vater starb, unverhofft und jung. So warf ihn das Schicksal ins kalte Wasser: Von gestern auf heute übernahm der junge Ruedi die väterliche Brennerei in Dornach. Die hatte einst als Küferei begonnen, Schnaps entstand nur lange nur nebenbei.
So wurde aus dem gelernten Küfer nach und nach der Kultbrenner schlechthin. Zeltner war vor allem als Lohnbrenner bekannt und geschätzt, in den besten Jahren brannte er das Obst von mehr als 1500 Kundinnen und Kunden. Aber auch mit seinen eigenen Bränden heimste er so manche Prämierung ein.
Dabei war er stets einer der Engagiertesten, war Präsident des einstigen Nordwestschweizer Brennerverbandes. Später führte er den Schweizer Brennerverband und setzte etwa durch, Einmaisch- und Brennkurse für die Schnapsproduzenten einzuführen. Es war ein wichtiger Schritt zu mehr Qualität, kurzum: Ohne Ruedi Zeltner wären die Schweizer Destillate nicht so edel, wie sie es heute sind. Schliesslich war er auch in der Organisation der allerersten Spirituosenprämierung der Schweiz engagiert.
Brennmeister bis 95
Eigentlich wollte sich Ruedi Zeltner mit 70 Jahren vom anstrengenden Brennerdasein zurückziehen. Alles war eingefädelt, als unerwartet sein Sohn und designierter Nachfolger verstarb. Eine seiner beiden Töchter übernahm die Brennerei schliesslich mit Mann und Tochter. Doch Ruedi Zeltner war immer dabei, und zwar an vorderster Front.
Erst Ende 2016, mit 95 Jahren, brannte er seinen letzten Kirsch. Und bis vor anderthalb Jahren, mit knapp 99 Jahren, lebte er noch selbstständig in seinem Haus. Ein Unfall fesselte ihn lange Zeit ans Bett und brachte ihn ins Altersheim, wo er eben sein Jubiläum feierte. Doch der Geist ist wach – und das Herz gross wie eh und je. Nur das Gehör, das mache ihm zu schaffen, erzählt er.
Ruedi Zeltner, der ebenso gerne jagte wie er brannte, fühlt sich wohl in seinem neuen Zuhause – und lässt es sich nicht nehmen, den Besucher höchstpersönlich durch das Haus zu führen. Kirsch, seinen Lieblingsschnaps, trinkt er übrigens nur noch selten. Aber auf das täglich Gläschen Rotwein schwört er nach wie vor.
Seine Brennerei, die noch immer seinen Namen trägt, übergab er 2017 einer AG, die sich unter anderem aus ehemaligen Kunden formierte. In einer Zeitungsannonce formulierte er damals Augenzwinkernd, dass er nun, mit 95 Jahren, beruflich etwas kürzertreten wolle. Die Lohnbrennerei schrumpft seither kontinuierlich, der Anteil der eigenen Produkt wächst hingegen. Und Prämierungen gibt es nach wie vor für die Brennerei Zeltner in Dornach.